ZINSESZINSEFFEKT Das Mindset der Vermögensmillionäre

Vor einiger Zeit bin ich auf ein Zitat von Warren Buffett gestoßen, das in meinem Kopf eine hellstrahlende Finanzbirne anknipste. Und das, obwohl ich mich bereits seit über zwölf Jahren mit dem Thema Vermögensaufbau beschäftige. Doch so, wie Buffett den Vermögensaufbau in seinem Zitat betrachtet, hatte ich dieses Thema noch nie betrachtet. Natürlich möchte ich Sie nicht weiter auf die Folter spannen und mit Ihnen die Worte des legendären Investors teilen.

„Ich möchte mir ein solches Auto nicht leisten, denn es kostet mich Millionen in der Zukunft.“

– Warren Buffett, Starinvestor und Multimilliardär

Doch was genau meint Buffett damit, wenn er sagt, dass ihn ein Auto in der Zukunft Millionen von US-Dollar kosten wird? Um das zu verstehen, ist es hilfreich, den Hintergrund dieses Zitats zu kennen. Der Erzählung nach war Buffett mit einem Freund unterwegs, um ein Auto zu kaufen. Dabei schauten sie sich unterschiedliche Modelle an. Darunter waren natürlich auch Autos im Premiumsegment, die Zehntausende von Dollar kosteten. Ein solch teures Auto wollte Buffett sich nicht kaufen, und so ist dieses Zitat entstanden.
Um die wahre Tragweite seiner Worte zu verstehen, ist es ebenfalls wichtig, wenn wir in Erfahrung bringen, wie der wohl bekannteste Investor unserer Zeit über den Vermögensaufbau denkt. So ist Buffett nicht nur dafür bekannt, dass er zu den reichsten Menschen der Welt gehört, sondern auch für seinen extrem sparsamen Lebensstil. Ich schreibe „extrem sparsam“, weil er das für einen Multimilliardär auch tatsächlich ist. Buffett geht es allerdings nicht darum, dass man heute 50 Cent spart und morgen vielleicht einen Dollar. Er fragt sich vielmehr, was diese 50 Cent in der Zukunft wert sein könnten. Es geht ihm darum, wie viele 50 Cent er über seine gesamte Lebensdauer sparen und investieren kann sowie was aus diesen 50 Cent werden kann.

Um das anschaulicher zu betrachten, habe ich, passend zum Zitat, ein kleines Beispiel mitgebracht. Genauer: Ich möchte gerne das „Lieblingskind“ der Deutschen, das Automobil, gegen den Aktienindex S&P 500 in einem Renditevergleich gegeneinander antreten lassen. In diesem Vergleich können wir beruhigt davon ausgehen, dass Buffett sich durchaus ein Auto aus dem Premiumsegment leisten kann. Nehmen wir an, dass solch ein Premiumfahrzeug gut und gern 80.000 Dollar kostet. Jetzt steht Buffett vor der Wahl. Kauft er sich das Auto für 80.000 Dollar oder investiert er sie stattdessen mittels eines ETFs (Exchange Traded Fund) in den S&P-500-Index? Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass alles seine Zeit hat.
Es gibt eine Zeit, in der man sein Vermögen aufbaut, und es gibt eine Zeit, in der man es genießt. So gefallen natürlich auch mir, wie vielen anderen Menschen auch, die schönen und teuren Dinge des Lebens. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass Investitionen und Konsum in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen müssen, wenn man Wohlstand aufbauen möchte. Um vor dem Hintergrund von Buffetts Worten eine Entscheidung treffen zu können, können wir die statistischen Daten des S&P 500 zu Rat ziehen.

Warum Menschen vermögend sind

Seit seiner Einführung 1950 erzielte der S&P 500 im Durchschnitt eine Jahresrendite von gut acht Prozent. Acht Prozent sind jetzt keine weltbewegende Rendite. Der Vorteil bei solch einer „niedrigen“ Rendite ist jedoch, dass die Chancen nach wie vor gut stehen, dass sie auch in der Zukunft erzielt wird. Dafür werden sowohl das Weltwirtschaftswachstum als auch die Inflation und die durch die Digitalisierung zunehmende Produktivität sorgen. Würde Buffett die 80.000 Dollar über einen ETF in den S&P-500-Index investieren, 40 Jahre lang investiert bleiben und eine durchschnittliche Jahresrendite von acht Prozent auf seine Investition erzielen, so würde er am Ende der 40 Jahre ein Vermögen in Höhe von 1.737.962 Dollar sein Eigen nennen können. Und das ist das, was Buffett meint, wenn er sagt, dass ihn ein Auto Millionen von Dollar kosten wird, und uns mit diesem Beispiel gleichzeitig die Macht des Zinseszinseffekts ins Gedächtnis ruft. Dabei haben wir nicht einmal den Wertverlust des Autos, die Versicherung, die Benzinpreise sowie die Wartungs- und Reparaturkosten eingerechnet. Dann wären wir mit Leichtigkeit bei einem Betrag von über zwei Millionen Dollar, der uns im Laufe der 40 Jahre durch die Lappen gegangen wäre.

Jetzt könnten Sie zu Recht fragen: Wozu brauche ich das ganze Geld, wenn ich mir nicht einmal ein Auto für 80.000 Dollar davon kaufe? Nun, zunächst einmal sollten Sie ein Vermögen von zwei Millionen Dollar aufbauen. Und das schreibe ich, ohne Ihnen zu nah treten zu wollen. Denn sobald Sie das Geld, das Sie durch Ihre harte Arbeit und kluge Investitionsentscheidungen Ihr Eigen nennen können, besitzen, werden Sie feststellen, dass sich diese Frage für Sie erübrigt haben wird, weil Sie sich in der Zwischenzeit andere Gewohnheiten in Bezug auf Geld angeeignet haben werden. Vermögende Menschen sind vermögend geworden, weil sie sehr kostensensibel bei Dingen sind, die schnell ihren Wert verlieren, wie etwa Autos. Und auf der anderen Seite sind sie sehr renditeorientiert, was wahre Vermögenswerte angeht, wie zum Beispiel den Besitz von Unternehmensanteilen, Immobilien oder eines eigenen Businesses. Wenn Sie weiter in diese Materie einsteigen möchten, dann kann ich Ihnen die Buchreihe von Dr. Thomas J. Stanley, darunter seinen Beststeller „Der Millionär gleich nebenan“, wärmstens empfehlen. Stanley hat Millionäre und Multimillionäre in den USA interviewt und dabei überraschenderweise festgestellt, dass der Großteil der Millionäre dem teuren und luxuriösen Lebensstil nicht gerecht wird. So hat er unter anderem herausgefunden, dass sich Millionäre wie ganz normale Menschen kleiden und gebrauchte Autos fahren. Autos, die den Großteil ihres Wertverlustes bereits hinter sich haben und damit einen vertretbaren Konsumkauf darstellen. Gleichzeitig haben diese Menschen verinnerlicht, dass man dem Zinseszinseffekt nur ausreichend Zeit einräumen muss, um in der Zukunft überproportional von einer Investition, die man heute tätigt, zu profitieren. Letztlich geht es ihnen um die Möglichkeiten, die ein Millionenvermögen mit sich bringt, sowie um die daraus resultierende Zufriedenheit, dass man sich ein Auto für 80.000 Dollar jederzeit leisten könnte, wenn man denn wollte. Und ab und an gönnt man sich natürlich auch etwas „Unvernünftiges“.

Über den Autor:

Georg Redekop ist geschäftsführender Partner der Redekop & Partner KG und Fachautor für die Zeitschriften "Börse Online" und "€uro am Sonntag".