InterviewKann Fliegen klimafreundlich sein?

Können auch Flugzeuge auf fossile Brennstoffe verzichten? Der Physiker Prof. Dr. Andreas Timmermann, Mitglied des Vorstandes der Berlin Brandenburg Aerospace Allianz (BBAA), erläutert den aktuellen Forschungsstand.

DM: Herr Prof. Dr. Timmermann, derzeit gibt es offenbar nur die Möglichkeit, emissionsarmen Treibstoff einzusetzen. Sind Null-Emissionen technisch noch nicht möglich?
Prof. Dr. Timmermann: Doch, technisch ist es möglich. Aber aus Sicherheitsgründen erlaubt die Zulassung noch nicht, 100 % synthetisches Kerosin einzusetzen. Diese synthetischen Kraftstoffe, die sehr viel sauberer verbrennen als das normale Kerosin, dürfen nur bis zu 50 % beigemischt werden. Das ist das sogenannte Blending. Dabei werden also dem Flugzeug Treibstoffe zugeführt, die dann zu 50 % aus normalem Kerosin bestehen und zu 50 % aus synthetischem Kerosin. Wir hier in Berlin und Brandenburg arbeiten im Moment sehr intensiv auf diesem Gebiet, um die Situation zu verbessern.

DM: Das heißt, das Netzwerk Berlin Brandenburg Aerospace Allianz (BBAA) hat eine eigene Forschungseinrichtung?
Prof. Dr. Timmermann: Wir arbeiten mit Forschungseinrichtungen zusammen. Wir wollen versuchen, die bisher existierenden Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen und an Flugplätzen dieses synthetische Kerosin in so ausreichenden Mengen zu entwickeln, dass wir bei kleineren Flugzeugen die Emissionen herabsetzen können. Das heißt, das Netzwerk der an Luft- und Raumfahrt interessierten Betriebe und Forschungseinrichtungen hier in der Region Berlin-Brandenburg ist sehr praxisorientiert und will einen Beitrag zur Umsetzung in der großen Luftfahrt leisten, mit Projekt-Förderungen vom Bundeswirtschaftsministerium, vom Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg und von der EU.

DM: Im Rahmen des Netzwerkes realisieren Sie den Wissenstransfer aber zunächst nur in kleinerem Maßstab?
Prof. Dr. Timmermann: Es ist sinnvoll, das zunächst mit kleineren Flugzeugen zu probieren, um daraus zu lernen, wie man bei größeren dann diese Ideen umsetzen kann. Wir machen das aber auch schon heute in unserer Region mit Entwicklungen für größere Flugzeuge. Wir haben hier in Brandenburg auch einen der größten Triebwerke-Hersteller der Welt, in Dahlewitz südlich von Berlin hat Rolls Royce Deutschland begonnen, emissionsarme Flugzeugtriebwerke und Elektromotoren zu entwickeln.

DM: Wie wird eigentlich synthetisches Kerosin gewonnen?
Prof. Dr. Timmermann: Grundsätzlich ist das ein altes Verfahren. Dabei werden Kohlenwasserstoffe zusammen mit Energie, die heutzutage am besten aus grünem Strom, aus Wind- oder Solarenergie, gewonnen wird, genutzt. Zusammen mit CO2 kann man dies über chemische Prozesse zu beliebigen Kraftstoffen zusammenführen, indem man zunächst Wasserstoff erzeugt und dann aus diesem Wasserstoff mit CO2 zusammen zum Beispiel Benzin herstellt oder eben synthetisches Kerosin. Man kann auch den Wasserstoff direkt verwenden, oder man wandelt ihn über eine Brennstoffzelle in Strom um. Aber man muss sich immer im Klaren darüber sein, dass Wasserstoff ein sehr explosives Element ist, und das birgt natürlich auch Gefahren. Das muss genau abgewogen werden und muss in den gesamten Abläufen, beginnend von der Produktion über den Transport hin bis zum Speichern innerhalb der Flugzeuge, sicher sein.

DM: Wie kann man Wasserstoff speichern und transportieren? Naheliegend wäre ja, man würde ihn in Regionen, die viel Sonne haben, wie Australien oder Afrika, produzieren und dann hierher transportieren?
Prof. Dr. Timmermann: Richtig. Das wird im Moment in verschiedensten Ländern auch mit deutschen Politikern diskutiert, um zum Beispiel über Pipelines den Wasserstoff von Nordafrika nach Europa zu liefern, oder ihn über Tankschiffe zu transportieren. Aber man muss den Wasserstoff eben transportieren, es sei denn, man produziert ihn direkt vor Ort, zum Beispiel an kleineren Flugplätzen. Wir wollen zeigen, dass man mit kleineren Anlagen dezentral tatsächlich so viel an Wasserstoff oder auch synthetischem Kerosin herstellen kann, dass es für den Flugbetrieb tatsächlich ausreicht.

Airbus hat vor zweieinhalb Jahren eine Studie vorgestellt, nach der sie Flugzeuge in kurzem Mittelstrecken-Bereich mit Wasserstoff betreiben. Das für die Luftfahrt generell bis zum Jahr 2035 zu erreichen, halte ich für sehr ambitioniert. Wasserstoff oder auch synthetische Kraftstoffe zu nutzen, um Emissionsreduzierung zu erreichen, ist allerdings unstrittig.

DM: Welche Forschungen gibt es noch derzeit?
Prof. Dr. Timmermann: Bei Kurzstreckenflügen kann ich mir vorstellen, dass man Flugzeuge zum Beispiel durch Wasserstoff in Tanks, in den Tragflächen oder auch im Rumpf, zusammen mit einer Brennstoffzelle und propellergetriebenen Elektromotoren, antreibt. Bei Mittel- und Langstreckenflügen wird man allerdings auf synthetische Kraftstoffe setzen müssen. Man muss nach Lösungen suchen, die Emissionsreduzierung auch bei den bisher bestehenden Flotten von großen Flugzeugen zu ermöglichen. Und da kann das synthetische Kerosin einen wichtigen Beitrag liefern.

DM: Und die Umrüstung ist technisch kein Problem?
Prof. Dr. Timmermann: Es geht gar nicht so sehr um eine Umrüstung. Man kann tatsächlich schon heute mit kleinen Modifikationen an den Triebwerken 50 % synthetisches Kerosin diesem Treibstoff beimischen und dabei, das haben Studien gezeigt, mehr als 50 % der Emissionen reduzieren. Aber wir haben das Problem, dass dieses synthetische Kerosin bisher weltweit nicht in auch nur annähernd ausreichendem Maße produziert wird, weil es nach wie vor sehr teuer ist. Auch Wasserstoff herzustellen ist teuer.

Interview Marie Wildermann