Deutsches Museum München Museum trifft auf globales Energieproblem

Und der Name ist Programm: Es geht nicht um Energietechnik oder um die Geschichte der Stromerzeugung, wie man das vielleicht vom Deutschen Museum erwarten würde. Sondern um die Art und Weise der Energieproduktion, die sich die Menschen für die Zukunft wünschen. Und um den gesellschaftlichen Willensbildungsprozess, der diesen Weg in die Zukunft bestimmt.

Der Prolog gibt nicht nur eine Einführung in das Thema Energiewenden, sondern auch einen Überblick über vergangenen Energiewenden.

„,Energie.wenden‘ war die erfolgreichste Sonderausstellung des Deutschen Museums, seitdem wir diese Besucherzahlen gesondert erfassen“, erzählt Heckl weiter. „Ich hätte mir das nicht träumen lassen, als wir die Idee für die Ausstellung zum ersten Mal diskutiert haben. Aber es hatte auch etwas mit der Gunst der Stunde zu tun. Oder besser gesagt: mit dem Problem der Stunde.“ Die Energiewende ist eines der großen globalen Themen für das 21. Jahrhundert. Sie stellt Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Technik gleichermaßen vor große Herausforderungen. Mit welchen Ressourcen man Energie produziert und was das für Folgen für unseren Planeten hat, ist während der Laufzeit der Ausstellung immer wichtiger geworden. Gerade angesichts der Diskussion um den globalen Klimawandel.

V. l.: Mamoru Mōri, Direktor des Miraikan, Ina Lepel, die deutsche Botschafterin in Japan, und Wolfgang M. Heckl, Generaldirektor des Deutschen Museums, bei der Eröffnung der Ausstellung in Japan

Und damit stieg natürlich auch das Interesse an der Ausstellung. Die Ausstellung hatte rund 680.000 Besucherinnen und Besucher während der gut 20-monatigen Laufzeit – ein Rekord für das Deutsche Museum. Zu dem immensen Erfolg dürfte auch die einmalige Konzeption beigetragen haben: Das Herz der Ausstellung ist ein multimediales Rollenspiel, bei dem die Besucher selbst die Entscheidungen zur Energiewende treffen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Besuch der Ausstellung im Deutschen Museum

Sabine Gerber, Leiterin der naturwissenschaftlichen Ausstellungen beim Deutschen Museum, erklärt dieses Rollenspiel: „Das ist eine Art Übungsraum für die Gesellschaft, eine Welt im Kleinen.“ Denn im Zentrum der Ausstellung steht das „politische Parkett“. Dort begegnen den Besuchern auf großen Bildschirmen Akteure der Energiewende. Von einer Atomkraft-Lobbyistin bis zu einer Frau, die Wasserkraftwerke baut, von einem Bauern bis zu einem Techniker für das Stromnetz ist alles dabei. Und alle haben gute Argumente für ihre Sache. Es sind zwar Lobbyisten, aber sie wissen, wovon sie sprechen. Alle Akteure haben Forderungen an die Besucher – wie „Baut die Stromnetze aus!“ oder „Mehr Elektroautos!“ Die Besucher müssen in diesem Geflecht von Forderungen und Argumenten entscheiden, was für eine Energiewende sie wollen – und übernehmen praktisch die Rolle eines Politikers.

Was für ein Energiewende-Typ sind Sie?

Für die Auswertungen dieser von den Besuchern gefällten Entscheidungen haben sich die Ausstellungsmacher einen liebenswert analogen Weg ausgedacht. Die Besucher bekommen am Anfang eine Karte in die Hand. Ihre Entscheidungen stanzen sie selbst in diese Karte. Und am Ende schiebt man diese gelochte Karte in ein Lesegerät, das einem verrät, was für ein „Energiewende-Typ“ man ist. „Das macht richtig viel Spaß und erweitert gleichzeitig das Wissen um die Energiewende erheblich“, sagt Sarah Kellberg, die die Ausstellung mit kuratiert hat und jetzt eine Doktorarbeit über die Ergebnisse der Ausstellung schreibt.

Auf dem Weg durch das „Spiel“ werden die Besucher immer wieder eingeladen, in die Themenfelder abzubiegen. Rechts und links des gelben Spielparcours befinden sich insgesamt neun Ausstellungsbereiche zu Themen wie Solar-, Wasser- und Windenergie, aber auch zu Mobilität oder zur Atomenergie. Es geht um Themen wie Smart Home, Emissionshandel, Speichermedien und Radioaktivität. Und es geht eben nicht nur um die deutsche Energiewende, sondern um die Auswirkungen auf der gesamten Erde. Und es gibt viele skurrile Dinge in der Ausstellung – wie zum Beispiel einen Atomenergie-Experimentierkasten für Kinder. „Gerade in Zusammenhang mit der Atomenergie wurde früher gern versprochen, man habe damit eine Lösung für alle Menschheitsprobleme gefunden“, sagt Kellberg. „Wir hingegen würden nie behaupten, eine globale Lösung für die Energiewende in der Ausstellung gefunden zu haben. Aber wir können sagen, wo etwas geklappt hat – und welche Möglichkeiten sich auftun.“

Die Ausstellung ist als internationale Wanderausstellung konzipiert. Als erstes Museum hat sich das bedeutende Miraikan-Museum in Tokio die Ausstellung gesichert. Dort allerdings führte der Ausbruch der Corona-Pandemie zu einer Schließung des Museums – und machte der Sonderausstellung ein jähes Ende. Trotzdem ein schöner Erfolg für das Deutsche Museum – denn zur Eröffnung, an der auch die deutsche Botschafterin Ina Lepel teilnahm, wurde in der japanischen Presse viel über die Ausstellung und die schon zu Zeiten von Museumsgründer Oskar von Miller gute Zusammenarbeit zwischen Japan und dem Deutschen Museum berichtet.

Mehr als 90.000 Meinungsbilder zur Energiewende

Im Deutschen Museum hat sich bei einer Umfrage gezeigt, dass die Themenpräferenzen auch vom Alter abhängig sind: Jüngere Besucher interessierten sich vor allem für den Themenraum Atomenergie, ältere eher für „Produktion und Konsum“. Und obwohl der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland beschlossene Sache ist, entschieden sich im Deutschen Museum immerhin rund 15 Prozent der Besucher für einen Ausbau der Atomkraft, rund 36 Prozent outeten sich als Fans von Fusionskraftwerken. Die Ergebnisse aus Japan sind wegen der durch Corona niedrigen Fallzahlen mit Vorsicht zu genießen – aber die Meinungen zur Atomkraft überraschen dann doch: Hier fordern sogar rund 35 Prozent der Besucher einen Ausbau der Atomenergie, nur 15 Prozent wollen alle Atomkraftwerke stilllegen. Die Daten deuten darauf hin, dass es weltweit sehr unterschiedliche Antworten auf die großen Fragen der Energiewende gibt.

Insgesamt rund 90.000 Besucher haben im Deutschen Museum das Spiel bis zur Auswertung durchgespielt. Es spielen also rund 15 Prozent der Gesamtbesucher das Spiel bis zum Ende – ein sehr hoher Wert. Dazu muss man auch wissen, dass Paare und Familien häufig nur mit einer Karte spielen und die Entscheidungen gemeinsam fällen, sich also in Wirklichkeit noch mehr Besucher an dem Spiel beteiligt haben. „Mehr als 90.000 Meinungsbilder – so viele bekommen Sie in der klassischen Umfrageforschung nie“, sagt Generaldirektor Heckl. „Wobei wir nicht behaupten, dass wir damit repräsentative Daten erzeugen. Aber wir schaffen Wissen, wir schaffen Entscheidungshilfen für die Menschen. Und damit schaffen wir auch die Kompetenz, die für gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einfach notwendig ist.“

Die Besucherentscheidungen werden am Ende zu einem Entscheidungsmuster zusammengefügt, das die Besucher mit nach Hause nehmen können. Sie bekommen schwarz auf weiß bestätigt, was für ein Energiewende-Typ sie sind. Am häufigsten entscheiden sich die Besucher in Deutschland für einen globalen Ansatz, gefolgt von den Naturschützern und den wissenschaftlichen Denkern. Rein wirtschaftliche oder regulatorische Lösungsansätze verfolgen nur die Wenigsten. Heckl weiter: „Den Menschen ist sehr wohl bewusst, dass es für globale Probleme nur globale Lösungen geben kann. Deshalb wäre ich sehr an Antworten interessiert: Ist das überall so? Geben die Menschen je nach Land stark unterschiedliche Antworten?“ Weil die Ausstellung eine Wanderausstellung ist, könnte man mit ihr in vielen Ländern gleichzeitig Meinungsforschung und Wissensbildung betreiben – zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit.

Die Ausstellung „energie.wenden“ wäre bereit, jetzt weiter zu wandern. Auskünfte dazu gibt es bei Thomas Hofberger, Wanderungsmanager des Deutschen Museums, E-Mail: t.hofberger@deutsches-museum.de