Politics & StandpointsWird Europas Landwirtschaft grüner?

2019 startete die EU mit der „Green Deal“ Strategie ein Programm, das den klima- und umweltbedingten Herausforderungen in Europa adäquat begegnen will. Da der Verlust der biologischen Vielfalt in direktem Zusammenhang mit agrarbedingter Zerstörung weiterer Ressourcen steht, erfährt auch die Agrarpolitik eine Neuausrichtung. Zu den Zielen, die die EU-Kommission bis 2030 definiert hat, gehören: den Einsatz von Antibiotika und Pestiziden zu halbieren, den Einsatz von chemischen Düngemitteln um 20 Prozent zu reduzieren sowie mindestens 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresgebiete in Schutzgebiete umzuwandeln und die Flächen für den ökologischen Landbau auf 25 Prozent auszuweiten. Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, hat die Verhandlungen in Brüssel über eine Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) maßgeblich geleitet. Mit ihr haben wir über die Ziele der GAP gesprochen.

„Soviel verbindlichen Umweltschutz gab es noch nie“
 

DM: Frau Ministerin, Sie sprachen nach den Verhandlungen von einem "Systemwechsel" in der europäischen Agrarpolitik. Was meinen Sie damit?
Ministerin Julia Klöckner: Es ist ein großer Erfolg, dass es uns als deutsche Ratspräsidentschaft gelungen ist, Europa in einer so zentralen Frage zu einen. Die Beschlüsse sind wichtige Weichenstellungen für die kommende Dekade – und ja, sie sind ein Systemwechsel. Denn zukünftig ist jeder Euro, den Brüssel als Förderung zahlt, an bestimmte Klima- und Umweltmaßnahmen geknüpft. Zudem werden mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen an noch höhere Klima- und Umweltauflagen gebunden. Ansonsten wird Geld gekürzt oder gestrichen. Und zwar EUweit verpflichtend – das sorgt auch für mehr Wettbewerbsfairness innerhalb der EU. Für Deutschland entspricht dieser Prozentsatz rund einer Milliarde Euro jährlich.
Soviel verbindlichen Umweltschutz gab es in der EU noch nie. Es gilt: keine Leistung ohne Gegenleistung. Gleichzeitig stellen wir mit dem Kompromiss sicher, dass die Anforderungen praxistauglich und umsetzbar sind für die Landwirte und sie für die Umweltleistungen, die die Gesellschaft von ihnen fordert, honoriert werden. Denn zentrale Aufgabe der Landwirtschaft ist und bleibt die Produktion von Lebensmitteln – allein in der EU für etwa 500 Millionen Menschen. Ökologie, Ökonomie und soziale Fragen müssen in der Balance sein. Erst dann ist es nachhaltig.

„Wir wollen eine stake regionale Erzeugung in Detuschland und in Europa erhalten.“
 

DM: Das bisherige Förderprinzip – immerhin fast 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts gehen in die europäische Landwirtschaft – bewirke zu wenig für Biodiversität, Klima-, Umwelt- und Naturschutz, sagen Kritiker. Wird die zukünftige Subventionsverteilung die Interessen von Naturschutz und Nachhaltigkeit besser berücksichtigen?
Ministerin Julia Klöckner: Um zunächst die genannte Zahl einzuordnen: Die Landwirtschaft ist der am stärksten vergemeinschaftete Bereich, also auf supranationaler Ebene politisch angesiedelt. Das erklärt, warum der Agrarhaushalt der größte Einzelposten im europäischen Budget ist. Denn was auf europäischer Ebene beschlossen wird, gilt verbindlich in den Mitgliedsstaaten. Zur Ihrer Frage habe ich ja bereits verdeutlicht, dass wir einen Meilenstein erreicht haben: Die Landwirtschaft in Europa wird auf 100 Prozent der Fläche einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten. Und damit sind wir weitergegangen, als es die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Um es nochmal konkret zu machen: Nur, wenn jemand seine Fläche nach klaren Umwelt- und Klimaschutzstandrads bewirtschaftet, bekommt er auch Förderung dafür. Das gilt für Groß und Klein, konventionelle oder ökologische Betriebe.


DM: Die Agrarsubventionen – bislang profitierten vor allem große Betriebe davon – konnten das Höfesterben in der Vergangenheit nicht verhindern. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die Einkommenssituation kleinerer Betriebe und arbeitsintensiver Landwirtschaft zu sichern?
Ministerin Julia Klöckner: Die Gründe dafür, warum Landwirte ihre Betriebe nicht weiterführen, sind vielfältig – auch stets steigende Anforderungen sind ein Grund dafür. Aber ja: Jeder Hof, der schließt, ist einer zu viel. Und deshalb fördern wir mit der neuen GAP auch verstärkt die kleineren Betriebe. Zum Beispiel mit der so genannten Umverteilungsprämie. Vereinfacht gesagt schichten wir mit diesem Instrument ein Teil der Direktzahlungen von den großen auf die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe um. Sie erhalten – wenn sie die genannten Standards einhalten – eine höhere Zahlung je Hektar. Außerdem ist die Förderung von Junglandwirten verankert. Nach den neuen Regeln muss ein Betrag, der zwei Prozent des nationalen Direktzahlungsbudgets entspricht, für die Förderung von Junglandwirten genutzt werden. Es handelt sich dabei um ein Mindestbudget, die Mitgliedsstaaten können darüber hinaus gehen.


DM: Wie kann die Neuausrichtung der GAP in Deutschland umgesetzt werden angesichts einer starken Agrarindustrie?
Ministerin Julia Klöckner: Die Landwirtschaft in Deutschland ist größtenteils geprägt von bäuerlichen und familiengeführten Betrieben. Sie sorgen dafür, dass wir mit hochwertigen Lebensmitteln versorgt sind. Das ist ihre wichtigste Aufgabe, die Ernährung der Bevölkerung. Und genau dafür brauchen sie Planungs- und Vertrauenssicherheit und eine wirtschaftliche Grundlage. Wir wollen eine starke regionale Erzeugung in Deutschland und in Europa erhalten. Unsere Beschlüsse sind dafür ein klares Bekenntnis. Und mit der Umsetzung haben wir bereits begonnen. Wir erarbeiten gerade unseren nationalen Strategieplan, mit dem die neue GAP in nationales Recht implementiert wird.
 

Interview: Marie Wildermann