InterviewÜber das Glück

Michael Eid ist Professor für Psychologische Methodenlehre an der Freien Universität Berlin. Wenn es um Fragen nach dem Glück geht, ist er ein kompetenter Gesprächspartner, seit 25 Jahren beschäftigt er sich beruflich mit der Frage nach dem Glück. Begonnen hat die Faszination für diese Forschungsrichtung mit einem Forschungsaufenthalt in den USA an der University of Illinois at Urbana-Champaign bei Prof. Dr. Ed Diener, dem Begründer der psychologischen Glücksforschung. Seither beschäftigt Professor Eid sich mit der Messung von Wohlbefinden und der Analyse interindividueller und interkultureller Unterschiede im Glückserleben. Das Diplomatische Magazin hat mit dem Glücksforscher gesprochen.

DM: Herr Prof. Dr. Eid, gibt es eine allgemeingültige Definition, was Glück ist?
Prof. Dr. Michael Eid: Es gibt keine allgemeingültige Definition, die beispielsweise der Definition physikalischer Maße vergleichbar wäre. In der Psychologie setzt man Glück weitgehend mit Wohlbefinden gleich, wobei man drei Facetten des Wohlbefindens unterscheidet, und zwar das affektive, das kognitive und das psychologische Wohlbefinden. Menschen fühlen sich affektiv wohl, wenn sie häufig positiv gestimmt sind und positive Gefühle erleben sowie selten negative Stimmungen und Gefühle erfahren. Sie verfügen über ein hohes kognitives Wohlbefinden, wenn sie mit ihrem Leben als Ganzem und mit wichtigen Lebensbereichen zufrieden sind. Psychologisches Wohlbefinden zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen sich selbst akzeptieren, positive Beziehungen mit anderen pflegen, Selbstbestimmtheit bei ihren Entscheidungen erleben, Alltagsanforderungen bewältigen können, Sinn im Leben finden und persönliches Wachstum erleben. Menschen, die hohe Werte in diesen verschiedenen Bereichen des Wohlbefindens haben, werden als „Aufblühende“ (Flourisher) bezeichnet; sie führen – aus Sicht der Psychologie – ein zufriedenes, gelingendes und glückliches Leben.

DM: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Menschen glücklich sein können?
Prof. Dr. Michael Eid: Ob Menschen glücklich sind, hängt vom Zusammenspiel vielfältiger Umwelt- und Persönlichkeitsmerkmale ab, von denen nur eine Auswahl kurz skizziert werden kann. In Bezug auf Umweltbedingungen lassen sich verschiedene Ebenen von der Nation bis hin zur häuslichen Umwelt unterscheiden. So sind Menschen z.B. tendenziell glücklicher in Nationen, die wohlhabend sind und Freiheiten gewähren, und sie sind zufriedener, wenn sie in Organisationen arbeiten, die Autonomie ermöglichen. Auf Seiten der Persönlichkeit spielen Fähigkeiten und Denkstile eine große Rolle. So erleben Personen eher affektives Wohlbefinden, wenn sie genussfähig sind und ihre Stimmung gut regulieren können. Für das kognitive Wohlbefinden ist eine optimistische Einstellung förderlich. Wesentlich für das psychologische Wohlbefinden sind u. a. Selbstfürsorge, soziale Kompetenzen, Spiritualität, Dankbarkeit und Problemlösefertigkeiten. Aber auch die Passung von Person und Umwelt ist von großer Bedeutung. So blühen Menschen eher auf, wenn sie in Umgebungen leben, in denen ihre persönlichen Stärken zum Tragen kommen.

DM: Es gibt vermutlich zahlreiche Studien zur Glücksforschung. Wie lässt sich Glück objektiv messen?
Prof. Dr. Michael Eid: Da das Glückserleben von individuellen Erfahrungen und Bewertungen abhängt, ist die Selbstauskunft die zentrale Methode der Messung des Glücks. Hierzu wurden z. B. verschiedene Fragebögen entwickelt. Um das Wohlbefinden lebensnah zu erfassen, werden Menschen z. B. in ihren alltäglichen Situationen anhand eines Smartphones mehrmals am Tag befragt. Da solche Selbstauskünfte auch verzerrt werden können, weil Menschen sich selbst täuschen können oder in bestimmter Weise darstellen wollen, greift man in psychologischen Studien zudem auf andere Informationsquellen zurück, wie z. B. die Befragung von nahen Bezugspersonen oder biopsychologische Messungen. Insgesamt betrachtet, hat sich die Selbstauskunft aber als sehr zuverlässig erwiesen.

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