Tschechiens Botschafter Kafka Tschechien - Mit Rekordinvestitionen in die Zukunft der Mobilität

DM: Herr Botschafter, werden in Tschechien in den nächsten zehn Jahren mehr Elektroautos als Verbrenner unterwegs sein?

Tschechiens neuer Botschafter S.E. Tomáš Kafka

S.E. Botschafter Kafka: Die Frage, ob Elektroautos oder Verbrenner in zehn Jahren auf den tschechischen Straßen überwiegen werden, ist im Moment zu spekulativ und daher womöglich etwas unfair. Es ist klar, dass Tschechien als bedeutsamer Autohersteller mit den jüngsten Trends Schritt halten muss. Andererseits, auch dank der erfolgreichen Geschichte, schenken tschechische Fahrer ihren Konstrukteuren und Ingenieuren viel Vertrauen, denn sie wissen, dass sie ihnen in den jüngsten Jahren hervorragende Verbrenner verdanken. Daher wollen tschechische Fahrer nicht nur praktisch, sondern auch loyal sein. Insbesondere in Zeiten, wo es die Verbrenner weiß Gott weltweit nicht eben einfach haben. Übrigens, diese Loyalität und Vertrauen gelten nicht bloß den tschechischen Ingenieuren, sondern auch ihren deutschen Kollegen. Gegenwärtig, kann man sagen, würden tschechische Fahrer eher Verbrenner vorziehen. Die Frage ist halt, mit was für einer Entwicklung wir in den nächsten Jahren zu tun haben und welches Vertrauen tschechische und deutsche Ingenieure seitens der tschechischen Fahrer verdienen werden.

Die tschechische Hauptstadt Prag

Tschechien machte seinem Ruf als Autoland bereits zu Zeiten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe alle Ehre. In Zukunft werden Themen wie autonomes Fahren, Konnektivität und Elektromobilität stärker in den Fokus rücken. Wie geht die tschechische Autobranche damit um?

Autonomes Fahren, Konnektivität, Elektromobilität – das alles sind nicht nur Visionen, sondern auch konkrete Aufgaben, mit denen jeder Autohersteller fertigwerden muss, falls er am Weltmarkt erfolgreich werden will. Ich setze voraus, dass zum Beispiel in Prag das autonome Fahren ein unentbehrlicher Bestandteil des dortigen „Smart City“-Projekts wird. Die entsprechende Legislative ist übrigens schon unterwegs. Doch wir sollten andere Alternativen nicht links liegen lassen. Ich denke an den Wasserstoffantrieb oder auch an die weitere Entwicklung der Verbrenner. Das Auto wird wohl nie wieder als Symbol der persönlichen Freiheit gelten. Es sollte aber eine faire Chance kriegen, um zu beweisen, dass es weiterhin Bestandteil eines modernen, nachhaltigen Lebensstils bleiben kann. Die Autoindustrie ist übrigens auch eine zuverlässige Quelle der Arbeitsplätze sowie der Gewinne für öffentliche Haushalte. Auch sie verdient also einen abgewogenen, nachhaltigen Zugang.

„Das Auto wird wohl nie wieder als Symbol der persönlichen Freiheit gelten“

CzechInvest und der Verband der tschechischen Automobilindustrie haben im Corona-Sommer eine neue Plattform zur Förderung von Innovationen in Mobilität und Transport ins Leben gerufen. Was können Sie uns darüber erzählen?

Das „Mobility Innovation Hub“ ist Bestandteil des Projekts „Technologische Inkubation“, das von der Agentur Czech Invest stammt und mit den Mitteln aus dem neuen Regierungsprogramm „The Country for the Future“, das noch vor dem Ausbruch der Pandemie vorbereitet worden ist, gefördert wird. Insgesamt rechnet man damit, im Rahmen dieses Programms Förderungsmaßnahmen im Bereich von Entwicklung sowie Anwendung der Innovationen in Höhe von 9,1 Milliarden Tschechischen Kronen (CZK) – umgerechnet 337 Millionen Euro – zu ergreifen. Thematisch wird sich dieses Hub auf die alternativen Antriebskräfte, autonomes Fahren, Digitalisierung, smarte Logistik sowie Produktion ausrichten. Schon viele Partner wie Škoda Auto, Škoda DigiLab oder der Verband der tschechischen Automobilindustrie haben ihre Unterstützung bekräftigt.

Das Hub wird sich funktionsmäßig auf drei Pfeiler stützen. Der erste Pfeiler heißt „Inkubator der Ideen“, der Start-ups und der Spin-offs: In diesen Bereich fallen verschiedene Förderungsmaßnahmen wie direkte finanzielle Unterstützung, Konsultations- und Beratungsdienste oder technologisches Mentoring, die den einschlägigen technischen Projekten zugutekommen werden. Der zweite Pfeiler ist dem „Bereich der Partnerschaften“ gewidmet und bezieht sich auf Partnerschaften mit privaten Firmen, der akademischen Sphäre sowie den regionalen Strukturen, wobei vor allem die Innovationszentren gemeint sind. Die involvierten Partner werden ihre eigene Erfahrung vor allem im Bereich vom technologischen Mentoring einbringen und des Weiteren auch mit einer besseren Vernetzung für die entstehenden Projekte aushelfen. Schließlich konzentriert sich  der dritte Pfeiler auf „die Entstehung und weitere Entwicklung der Expertise“, die auch zur Änderung der Legislative und der besseren Einführung innovativer Lösungen in der Praxis führen soll.

„Es ist klar, dass Tschechien als bedeutsamer Autohersteller mit den jüngsten Trends Schritt halten muss“

„Mobility Innovation Hub“ zielt dabei nicht nur auf die tschechischen innovativen Unternehmen ab, herzlich willkommen sind auch Einfälle und Partner aus der ganzen Welt, die gerne in der Tschechischen Republik tätig sein wollen. Im Moment stehen wir kurz vor der definitiven Verabschiedung und Inkraftsetzung dieses Vorhabens.

Mit dem Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-T) strebt die EU den Aufbau eines effektiven EU-weiten Verkehrsinfrastrukturnetzes an. EU-Finanzierungsprogramme und -initiativen stellen finanzielle Unterstützung für Projekte zur Umsetzung des TEN-T zur Verfügung. Welche Projekte werden in Ihrem Land gefördert?

Um dieses Thema besser zu verstehen, lohnt es sich, die einschlägigen Finanzierungsprogramme in zwei Kategorien einzuteilen: die direkt von der EU geleiteten Programme und die staatsgeleiteten Programme. Zu denjenigen, die direkt von der EU geleitet sind, gehört hauptsächlich CEF oder „Connecting Europe Facility“. Mittel aus diesem Programm werden für den Ausbau der Autobahn- und Flusswege sowie auch für die Modernisierung der Eisenbahn eingesetzt. Nicht zuletzt verdankt man diesem Programm auch den Ausbau mancher Brücken, unter anderem auch einer Eisenbahnhubbrücke.

Andere Programme in Tschechien ermöglichen im Rahmen der TEN-T Politik, auch weitere Projekte umzusetzen. Ich denke zum Beispiel an die Autobahnverbindungen mit Österreich, zu kurz kommt aber auch nicht der Ausbau der Autobahn D6 aus Prag nach Karlovy Vary/Karlsbad und weiter nach Deutschland. Unter den Eisenbahnprojekten mag am meisten der Ausbau der Strecke aus Prag über Plzeň/Pilsen nach Deutschland oder aus Prag über České Budějovice/Budweis weiter nach Österreich auffallen.

Doch unser größtes Projekt in Verbindung mit Deutschland ist der Ausbau der Hochgeschwindigkeitseisenbahnstrecke zwischen Dresden und Prag. Zu diesem Zweck haben wir uns auch mit unseren Partnern aus dem Bundesverkehrsministerium zusammengetan und sie unterstützt, als sie den Antrag auf die Co-Finanzierung der Vorbereitung dieser Strecke auf dem deutschen Boden aus den CEF-Mitteln gestellt haben. Wir sehen die gesamteuropäische Dimension dieses Projekts und werden uns bei der bevorstehenden Revision des TEN-T-Netzes bemühen, die grenzüberschreitende Strecke Dresden-Ústí nad Laben/Aussig ins TEN-T Hauptnetz einzugliedern.

Das Tschechische Verkehrsministerium plant übrigens Rekordinvestitionen in den nächsten Jahren. Der Staatsfonds für die Verkehrsinfrastruktur rechnet im Jahr 2021 mit Ausgaben in  Höhe von 129 Milliarden CZK (4,7 Milliarden EUR). Knapp die Hälfte davon soll in den Straßenausbau gehen, der Rest für die Eisenbahn und Straßenreparaturen. In den folgenden Jahren soll diese Summe noch weiterwachsen.

Herr Botschafter, haben Sie vielen Dank.

INTERVIEW Enrico Blasnik