Mobilitätswende Die Auto-Strategie muss 3 Kriterien erfüllen

Ebenfalls wichtig für den Wohlstand des Landes: Die Arbeitnehmer bei Daimler, BMW und VW haben in den vergangenen Jahrzehnten überdurchschnittlich gut verdient und damit den Konsum angeheizt. Die oft üppigen Gewinne der Autobauer wurden auf Arbeitnehmer (Lohn und Jahresprämien) und Kapitalgeber (Dividenden für Aktionäre) verteilt. Wenn jetzt die Politik auf erfolgreiche junge Autobauer verweist, sollte auch ein Blick darauf geworfen werden, wie es in diesen Unternehmen mit Gehalt, Urlaubsanspruch etc. aussieht (mit dem Start der Tesla-Fabrik in Berlin-Brandenburg 2021 wird dieser Punkt auch in Deutschland direkt sichtbar).

Die Schlüsselfrage lautet: Warum hat die deutsche Automobilindustrie den Trend zur E-Mobilität verschlafen? Die Standardantwort: Mit den Verbrennungsmotoren sind BMW, Daimler, VW und Co. groß, reich und auch träge geworden.

Diese Antwort trifft in Teilen zu, ist gleichzeitig aber zu einfach und teilweise sogar falsch. Die deutschen Autobauer sind extrem emsig in der Forschung. Laut IW-Studie stammen fast 40 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im verarbeitenden Gewerbe aus der Automobilindustrie. Genug Geld wurde auch schon vor fünf oder zehn Jahren investiert, aber nicht genug in neue Antriebsformen wie E-Motoren und Brennstoffzellen. Dafür gab es zwei Gründe: Die Leistungsfähigkeit der neuen Antriebsformen wurde infrage gestellt und auch die Kundennachfrage als Basis für den wirtschaftlichen Erfolg. Und man kann sich in der Tat die Frage stellen: Wie viele E-Autos würden heute auf den  Straßen fahren, wenn die Politik nicht massiv die Infrastruktur und den Kauf von E-Autos finanziell unterstützen würde? Der korrekte Vorwurf an die Automanager muss also lauten: Sie haben es vor zehn Jahren verschlafen, eine gemeinsame strategische Linie mit der Politik auszuhandeln.

Der Mix macht‘s

Die Politik setzt massiv auf das E-Auto. Aktuell haben die erforderlichen Batterien noch Schwachstellen (zum Beispiel Leistungsverlust bei großer Kälte). Viele tausend Forscher experimentieren mit den unterschiedlichsten Rohstoffen. Kein Mensch – auch E-Auto-Visionär und Tesla-Macher Elon Musk nicht – weiß heute, welche Batterie-Rohstoffe in zehn Jahren die Standardlösung sein werden. Das bedeutet aber auch: Wir wissen heute nicht, welche Länder die dann dringend in riesigen Mengen benötigten Rohstoffe besitzen, und wir wissen nicht, welche Rohstoffkonzerne sich die Rechte gesichert haben.

Ein Gedankenspiel: Wenn es die Politik durchsetzt, dass der Verbrennungsmotor von den Straßen verbannt wird, machen sich Länder ohne passende Rohstoffvorkommen erpressbar. Was ist, wenn das Land mit den Rohstoff-Reserven über Nacht eine zusätzliche Ausfuhrsteuer von 100 Prozent erhebt oder die Jahresproduktion an nur einen großen Abnehmer verkauft?

Das Fazit: Die Politik sollte im Rahmen ihrer Mobilitätsstrategie mindestens drei Kriterien berücksichtigen: Erstens welche Antriebsvariante schädigt die Umwelt am geringsten? Zweitens: Bei welcher Antriebsvariante gibt es die größtmögliche Versorgungssicherheit? Und drittens welche Antriebstechnologie kann so günstig angeboten werden, dass jeder, der beruflich oder privat auf ein eigenes Auto angewiesen ist, sich ein solches auch leisten kann? Aus heutiger Sicht spricht vieles dafür, dass nur ein Mix aus E-Auto, Verbrennungsmotor und Brennstoffzellentechnologie alle Kriterien erfüllt.

Über den Autor:

Der Analyst Rolf Morrien ist seit 2002 Chefredakteur des Börsendienstes "Der Depot-Optimierer" und Autor der Bücher "Wie lege ich 10.000 Euro optimal an?" und "Börse leicht verständlich".