Bei der Forderung nach mehr Frauen in Entscheiderpositionen geht es nicht darum, Macht um der Macht willen zu haben oder Männer ins Abseits zu drängen. Es geht allein darum, dass Frauen in Ämter und Funktionen kommen, in denen sie mit-bestimmen, wie unsere Welt aussehen soll, wie Handel und Wirtschaft organisiert und öffentliche Gelder verteilt werden. Und Gesetze gemacht werden.
ISTANBUL-KONVENTION
Apropos Gesetze: Auf europäischer Ebene wurde die Istanbul- Konvention das erste juristisch verpflichtende Instrument zum Schutz von Frauen und Mädchen gegen häusliche Gewalt. Ausgerechnet die Türkei, die 2012 als erster Staat die Konvention in Istanbul unterzeichnet hatte, hat im März dieses Jahres das Bündnis verlassen. Dabei hat die Türkei ein massives Gewaltproblem. Wie die Organisation „We Will End Femicide“ berichtet, wurden allein in 2020 in der Türkei mehr als 300 Frauen ermordet.
DEUTSCHLAND: JEDEN 3. TAG WIRD EINE FRAU GETÖTET
Auch in Deutschland ist häusliche Gewalt gegen Frauen traurige Realität. Das Bundeskriminalamt (BKA) wertet regelmäßig die Statistik zum Thema Partnerschaftsgewalt aus. 2019 wurden circa 115.000 Mädchen und Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Getötet wurden 111 Frauen von Partnern oder Ex-Partnern - statistisch wurde also fast an jedem dritten Tag in Deutschland eine Frau ermordet.
AUTORITÄTSVERLUST IN LONDON
Als vor einigen Wochen in London eine junge Frau entführt und getötet wurde, kam es zu landesweiten Protesten gegen Belästigungen und Gewalt an Frauen, denn ausgerechnet ein Polizist – ein Vertreter der Staatsmacht, die die Bürgerinnen und Bürger schützen soll – war der mutmaßliche Vergewaltiger und Mörder. Mehr Vertrauensverlust in staatliche Organe geht nicht. Fatal zudem der darauffolgende Polizeieinsatz: Die demonstrierenden Frauen wurden von männlichen Polizisten weggezerrt und zu Boden gestoßen.
ALICE SCHWARZER
Mit Polizeigewalt und politischen Widerständen sah sich die Frauenbewegung von Anfang an konfrontiert. Die deutschen Frauenrechtlerinnen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, allen voran die Ikone der westdeutschen Frauenbewegung Alice Schwarzer, blieben von körperlicher Gewalt verschont, mussten aber kübelweise Spott und Häme über sich ergehen lassen. Für ihre Kampagne zur Abtreibung wurde Schwarzer heftig attackiert.
HERAUSFORDERUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT
Im 21. Jahrhundert sind Frauen, vor allem im Globalen Süden, enormen Belastungen ausgesetzt. Laut Global Gender Gap Report (GGGR) sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Frauen in vielen Ländern extrem eingeschränkt. Ihre Chancen auf Bildung, der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Landbesitz bewegt sich auf katastrophal niedrigem Niveau. Das sind nur einige der fundamentalen Probleme, von Menschenhandel, Prostitution und Lohnsklaverei haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. Verwirklicht sind Frauenrechte nicht annähernd. Und geschenkt werden sie den Frauen auch nicht. Sie müssen sie hart erkämpfen.
Artikel: Marie Wildermann