Interview„Heimat ist … wo man gedankenlos Brandenburgisch sprechen kann“

Die Koalition hat eine ehrgeizige Bau- und Investitionsoffensive gestartet. Klimaschutz- und Gemeinwohlorientierung, Sozialer Wohnungsbau, Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, Novellierung des Baugesetzbuches, Klimaschutzanpassungen – um nur ein paar Stichworte zu nennen. Mit großem Tempo soll neuer Wohnraum geschaffen werden. Über die Herausforderungen hat die neue Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz mit dem Diplomatischen Magazin gesprochen.

DM: Frau Ministerin, im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass innerhalb nur eines Jahres 400.000 neue Wohnungen entstehen sollen. Wie soll das so schnell gehen? Und wo sollen die gebaut werden?
Ministerin Klara Geywitz: Wir haben in Deutschland rund 306.400 fertig gebaute Wohnungen im Jahr 2020 und fast 800.000 Wohnungen, die genehmigt, aber noch nicht gebaut sind. Zu Helmut Schmidts Zeiten hätte man milde gelacht bei der Sorge, die 400.000 zu schaffen. Damals waren es 700.000 jährlich.
Ich nehme die Zahl 400.000 jedoch nicht auf die leichte Schulter, aber sie bereitet mir auch keine schlaflosen Nächte. Meine Aufgabe definiere ich hier ganz klar als Managementaufgabe. Das mag einigen zu wenig sein, die sofort sagen: Aber es muss auch schön aussehen. Stimmt, aber dafür sorgen die Architektinnen und Architekten. Meine Baustellen sind Bauland, Baumaterial und Arbeitskräfte. Das sind alles riesige Stellschrauben, um im Bild des Bauens zu bleiben, die nur durch Kooperation aller Akteure, Pragmatismus und einer Prise Brandenburger Hartnäckigkeit gelöst werden können. Im Frühjahr starten wir mit unserem Bündnis für bezahlbares Wohnen und dem einen oder anderen begleitenden Format, das unterschiedliche Interessen so zielgerichtet wie möglich zusammenbringt.

DM: Für die Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik ist ein Aufbruch angekündigt, u.a. sollen 100.000 Sozialwohnungen entstehen, für besondere Zielgruppen, Studenten, Auszubildende, Wohnungslose. Wie ist das zu finanzieren?
Ministerin Klara Geywitz: Gleich bei meinem Amtsantritt am 8. Dezember wurde mir mitgeteilt: es hakt bei der Milliarde für den sozialen Wohnungsbau. Das war daher meine Priorität Nummer eins. Innerhalb weniger Tage haben wir die noch offenen Fragen gelöst und vor Weihnachten die Milliarde für 2022 auf den Weg gebracht. Eine weitere Milliarde möchte ich gerne so schnell wie möglich nachlegen. Sie soll den Klimaschutz im Sozialen Wohnungsbau gezielt fördern. Zudem wurde das Wohngeld noch Ende 2021 erhöht und mein Ministerium hat im Eilverfahren den einmaligen Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht. In diesem Tempo darf es für mich, gerade mit Blick auf Menschen, die mit wenig Geld klarkommen müssen, weitergehen.

DM: Sie sind in Potsdam geboren, leben hier, haben Politik für die Menschen in Potsdam und Brandenburg gemacht (jetzt für den Bund). Ist Potsdam Ihre Heimat? Brandenburg? Was verbinden Sie mit dem Begriff Heimat?
Ministerin Klara Geywitz: Potsdam ist für mich Heimat, auf jeden Fall. Hier kenne ich jede Ecke. Hier habe ich Unsinn gebaut, bin zur Schule gegangen, habe meine Familie gegründet und mich über 15 Jahre politisch engagiert. Heimat ist da, wo die Menschen sind, die man liebt. Wo man gedankenlos Brandenburgisch sprechen kann und wo einem der Malermeister oder die Schornsteinfegerin ganz unverblümt sagt, was man gut macht und was nicht. Wir sehen uns als Stadtentwicklungsministerium übrigens auf die unterschiedlichste Weise an, was Heimat für die Menschen ist. Zum Beispiel mit unserer Kleinstadtkonferenz oder dem Innenstadtprogramm, womit wir Innenstädte in ganz Deutschland beleben wollen.

DM: Die neue Regierung hat angekündigt, sich weiter für Migration und Flüchtlinge einzusetzen und auch die Arbeitsmigration verstärkt zu fördern. Das bedeutet, dass Menschen in Deutschland sich auf weiteren Zuzug einstellen müssen. Wie kann diese Entwicklung so gestaltet werden, dass beide Seiten profitieren, die Einheimischen sowie die neu Hinzukommenden?
Ministerin Klara Geywitz: Wir brauchen Menschen, die aus anderen Ländern kommen und Deutschland zu ihrer Heimat machen wollen. Die unterschiedlichen Wirtschafts- und Forschungsinstitute sagen alle: Wenn wir unseren Wohlstand in Deutschland verstetigen oder steigern wollen, dann braucht es Menschen aus anderen Herkunftsstaaten. Nehmen Sie allein das Handwerk. Ich habe schon mit vielen Meistern und Meisterinnen gesprochen, die geflohene Menschen angestellt haben und die sagen: ohne diese Frauen und Männer wären wir aufgeschmissen. Hier werde ich bald mit dem Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesarbeitsminister das Gespräch suchen, um entsprechende Initiativen voranzubringen. Das Handwerk braucht die Fachkräfte von Morgen und die Menschen, die zu uns kommen, brauchen eine Perspektive.

Interview Marie Wildermann