Politics & StandpointsFarm to Fork Strategy

Die Agrarwirtschaft der EU

Lebensmittel sind – wie der Name indiziert – lebenswichtig. Dennoch gehen etwa ein Fünftel der in der EU produzierten Lebensmittel verloren, werden verschwendet oder weggeworfen, obwohl sich etwa 33 Millionen EU-Bürger nicht einmal jeden zweiten Tag eine nahrhafte Mahlzeit leisten können.

Im Rahmen des Green Deals will die EU mit ihrer im Mai 2020 präsentierten „Farm-to-Fork“-Strategie den Weg zu einer nachhaltigeren Lebensmittelwirtschaft ebnen. Die Produktion von Lebensmitteln trägt nicht nur zum Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen bei, sondern sie benötigt auch enorme Wassermengen. So schlägt ein Kilogramm Rindfleisch mit über 15.000 Litern Wasser und über 20 Kilogramm CO2 zu Buche. Für dieselbe Menge Brot braucht man immer noch 1000 Liter Wasser. Etwa zehn Prozent der EU-weiten Treibhausgasemissionen sind auf die Landwirtschaft zurückzuführen, wiederum 70 Prozent davon auf die Viehwirtschaft.

Der Weg zu einer nachhaltigeren Lebensmittelwirtschaft

Die neue Strategie der EU ist umfassend angelegt und soll etliche Problempunkte entlang der Lieferkette angehen. So sollen die EU-Bürger Zugang zu gesunden, erschwinglichen und nachhaltig produzierten Lebensmitteln erhalten. Weitere Ziele der Strategie sind die Abmilderung des Klimawandels, der Schutz von Umwelt und Biodiversität oder die Förderung ökologischer Landwirtschaft. Bis 2030 sollen der Einsatz von Pestiziden und die Pro-Kopf-Verschwendung von Lebensmitteln um jeweils 50% gesenkt werden. Schließlich will man auch die Zahl der Todesfälle, die auf eine ungesunde Ernährung zurückzuführen sind, deutlich reduzieren. Wie so oft heißt es, man wolle dem Verbraucher ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen. In diesem Fall soll die gesunde und nachhaltige Wahl gleichzeitig die einfache und günstigste Wahl sein.

Um diese Ziele zu erreichen, wird auch ein besonderes Augenmerk auf die wirtschaftlichen Chancen gelegt, die der Übergang zu einer nachhaltigeren Lebensmittelwirtschaft birgt. Global gesehen geht man davon aus, dass dadurch bis 2030 1,8 Trillionen Euro generiert werden können. Dies sei auch dadurch bedingt, dass die Bürger höhere Ansprüche an die Qualität der Lebensmittel entwickelt hätten und dadurch einen Wandel forcieren.

Herausfordungen der "Farm to Fork Strategy" & Kritik

So wichtig die gesteckten Ziele sind, so schwierig könnte sich die Umsetzung im Einzelnen gestalten. Entwicklungen wie jene von der klassischen Landwirtschaft hin zur Agrarindustrie und Massentierhaltung lassen sich nicht ohne weiteres umkehren. Nicht zuletzt, weil jene Entwicklung auch eine kulturelle Entwicklung eingeleitet hat. Der Sonntagsbraten war irgendwann nichts Besonderes mehr, denn man konnte und kann sich nicht selten morgens, mittags und abends Fleisch leisten.

Zudem muss bedacht werden, dass die erhöhten Ansprüche an Qualität und Nachhaltigkeit sicherlich bei vielen vorhanden sind, aber nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Bevölkerung zur Zeit in der Lage ist, sich hochwertige und nachhaltig produzierte Lebensmittel zu leisten. Auch fehlt immer mehr Menschen das nötige Wissen über Lebensmittel und deren Zubereitung. Es wird für die Umsetzung der Strategie von zentraler Bedeutung sein, dass dieses Wissen auf breiter Ebene vermittelt wird – möglichst ohne den erhobenen Zeigefinger, denn dadurch könnte die Akzeptanz wiederum sinken. Und ohne diese kann es in der Praxis nicht funktionieren.

Ziele wie bessere Information der Verbraucher, Verringerung des Düngemitteleinsatzes und mehr Tierwohl können nur dann erreicht werden, wenn die Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen. Wenn einzelne Politiker darauf beharren, dass leicht verständliche Ampel-Etiketten, die auf einen hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz hindeuten, oder Siegel an denen die Tierhaltungsform zu erkennen ist, nur auf freiwilliger Basis eingesetzt werden sollen, dann ist das alles andere als hilfreich. Und eine nachhaltige Lebensmittelwirtschaft würde Zukunftsmusik bleiben.

Artikel: Béatrice Schütte