Politics & StandpointsDer Weg zur Bildung

Es war ein sehr berührender Film, der vor einigen Jahren in den deutschen Kinos lief: „Auf dem Weg zur Schule“. Der schöne Film mit dem schlichten Titel dokumentiert den extrem beschwerlichen Schulweg von Kindern in verschiedenen Ländern. Filmemacher Pascal Plisson begleitete die 12-jährige Zahira aus Marokko, die jeden Tag 4 Stunden durch die Berge stapfen muss, um ihre Schule zu erreichen; den 11-jährigen Carlito aus Argentinien, der den Schulweg gemeinsam mit seiner kleinen Schwester auf einem Pferd durch unwegsames, gefährliches Gebiet meistert; Kinder in Indien, die nicht nur einen stundenlangen, strapaziösen Weg zu Fuß zurücklegen, sondern auch noch einen kleinen Rollstuhlfahrer durch Pfützen und Schlamm schieben und ziehen. Staunend verlässt der Zuschauer den Kinosaal, voller Bewunderung für die enorme Leistung dieser Kinder. Darüber, was sie auf sich nehmen, um Rechnen, Lesen, Geografie und Sprachen zu lernen. Aber auch Staunen darüber, wie sehr die Eltern darauf vertrauen, dass ihre Kinder die Herausforderungen schon meistern werden und ihnen die großen Strapazen zutrauen.

MALALA

Eine moderne Heldin ist auch Malala. Schon als 11-Jährige hatte das pakistanische Mädchen auf ihrem Blog die Taliban kritisiert, die nach ihrer Machtübernahme den Schulbesuch für Mädchen verboten, ebenso wie Musikhören und Tanzen. Weil Malala sich nicht einschüchtern ließ und immer wieder die Unterdrückung anprangerte, wurde sie Opfer eines Attentats von radikalislamischen Taliban. Die damals 15-Jährige überlebte die schweren Schussverletzungen, wurde wiederholt operiert, zuletzt in England. Kaum genesen, kämpfte sie weiter für das Recht auf Bildung für Mädchen und Frauen. Für ihr Engagement und ihren Mut wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. 2014 mit dem Friedensnobelpreis. Malala Yousafzai ist heute 24, hat ein Studium absolviert und ein Buch über ihre Geschichte geschrieben. Statt zu verstummen, wurde sie weltberühmt.

WELCHE BILDUNG BRAUCHEN WIR?

Zwei extreme Geschichten von Menschen, denen Bildung alles bedeutet, weil sich ihnen dadurch neue Welten und Horizonte erschließen. Bildung und gesellschaftliche Teilhabe ist für alle Kinder wichtig. Aber welche Bildungsinhalte die neue Generation im 21. Jahrhundert braucht, darüber wird in vielen Ländern heftig gestritten. Welche Fähigkeiten brauchen Kinder in unserer immer komplexeren Welt? Mehr digitale Kompetenzen und Programmieren? Mehr Wirtschaft und Finanzbildung? Oder doch mehr Sport, Bewegung und Gesundheitserziehung? Und für die Karriere Auslandserfahrung, interkulturelle Kompetenz und Sprachen? Aber wie steht es um die Umweltsensibilität? Sollte sie in unserer gefährdeten Welt nicht ganz nach oben? Oder prägen Werteerziehung und musische Bildung Kinder und Jugendliche so ganzheitlich, dass sich viele andere Themen damit erübrigen?

ERMUTIGUNG

Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder. Und vor allem: nichts falsch machen. Doch es lässt sich gar nicht vermeiden, falsche Entscheidungen zu treffen. Auch wenn wir umsichtig planen und vorausschauend handeln, werden wir Fehler machen, sie gehören nicht nur zum Menschsein dazu, sondern Vieles lernen wir erst durch die Fehler, die wir gemacht haben. Unsere Bildungssysteme heute sind durchlässiger geworden und in unserer globalisierten Welt gibt es für Jugendliche und junge Erwachsene viele Wege, dasselbe Ziel zu erreichen. Viel wichtiger scheint, Kinder beim Start ins Leben zu ermutigen. Und es ist fast unerheblich, wer diesen Vertrauensvorschuss gibt - ob Vater, Mutter oder eine andere Bezugsperson. Kinder brauchen Vertrauen und dass jemand an sie glaubt und deutlich macht: „Du wirst Dein Leben schon meistern und wirst ans Ziel kommen, selbst wenn Du Umwege brauchst.“ Mit dieser emotionalen Grundausrüstung – Ermutigung und Selbstvertrauen – werden Kinder ihren Weg finden, egal unter welchen Startbedingungen.

Artikel: Marie Wildermann