Politics & StandpointsDas Jahrhundert-Projekt - New European Bauhaus

Tausende aus ganz Europa hatten sich in die Online- Konferenz „The New European Bauhaus“ eingeloggt, die im April 2021 von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eröffnet wurde. Architekten, Designer, Wissenschafter und Politiker aus allen Kontinenten tauschten sich aus über Erfahrungen und Vorstellungen, wie die Städte der Zukunft beschaffen sein müssten, um die Erderwärmung herunterzufahren. In ihrem Eingangsstatement kündigte die Kommissionspräsidentin einen tiefgreifenden ökologischen Wandel in Europa auf allen Ebenen an.
 

NEW EUROPEAN BAUHAUS
Im September 2020 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Initiative “Das Neue Europäische Bauhaus” angestoßen. Das Ziel: den europäischen Green Deal in den Alltag der Menschen übersetzen. Alle Bereiche – Arbeit, Wohnen, Infrastruktur, Stadtentwicklung, Mobilität, Energieerzeugung, Ressourcenverbrauch u.a. – sollen tiefgreifend umgestaltet werden nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien. Damit macht sich die EU zum Treiber einer breit angelegten Öko-Offensive, die besonders bei jungen Menschen in der EU gut ankommt und das Potential hat, das Image der behäbigen und bürokratischen EU von Grund auf zu verändern. Mit New European Bauhaus als Teil des Green Deal scheint das Projekt Europa wieder attraktiv.

Wir publizieren Ausschnitte aus der Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom 22. April 2021.

Meine Damen und Herren,
halten wir einmal inne und schauen über die Pandemie hinaus. Stellen wir uns die Frage: Wie können wir neue Perspektiven schaffen? Wie können wir Hoffnung und Kreativität und Innovation stimulieren? Und wie können wir das angehen, was man als schlimmste Krise für unseren Planeten bezeichnen kann? Die Krise, die nicht zum Stillstand gekommen ist aufgrund der Pandemie. Und selbstverständlich spreche ich hier von der Klimakrise. Und genau darum geht es beim Neuen Europäischen Bauhaus. Es geht um Hoffnung, es geht um Inspiration, es geht um neue Perspektiven. Und es geht darum, konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Robert Schuman, einer der Gründerväter unserer europäischen Gemeinschaft, schrieb 1954, als Europa immer noch unter den Folgen des Krieges litt: „Europa. Sicher, es ist essentiell, am wirtschaftlichen Wiederaufbau zu arbeiten, militärische Sicherheit zu garantieren und es politisch zu organisieren. Aber was würden all unsere Anstrengungen wert sein, wenn wir nicht gleichzeitig in der Lage sind, eine solide und tiefe Basis in den kulturellen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern zu schaffen? Hier formt sich der europäische Geist, und der Geist wird alles andere formen.“ Robert Schuman hatte verstanden, was der Schlüssel zum Erfolg eines europäischen Projekts ist. Politik und Wirtschaft allein reichen nicht aus. Wir brauchen mehr, wir brauchen einen gemeinsamen Diskurs.

Der darf aber nicht nur in unseren Köpfen bleiben, er muss unsere Herzen und Seelen erfassen. Mit dem Neuen Europäischen Bauhaus wollen wir den Grünen Deal greifbar machen. Wir möchten der wirtschaftlichen und technologischen Transformation eine kulturelle Dimension geben. Das ist auch entscheidend, damit wir das Gesamtziel erreichen können. Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden, dafür müssen wir unseren Lebensstil mit der Natur in Einklang bringen. Damit das gelingt, brauchen wir beides: Einen echten Wandel unserer Wirtschaft und Gesellschaft und eine Diskussion darüber, wie wir die Natur und unseren Planeten achten können.

Das historische Bauhaus wurde in einer Zeit gegründet, als ein tiefgreifender Wandel stattfand. Die Menschen stellten sich den Herausforderungen der Industrialisierung. Gropius und die Gründer wollten dem Bedarf einer neuen Zeit gerecht werden. Sie suchten nach Lösungen, die funktionierten, die man sich leisten konnte, die aber gleichzeitig auch schön waren.

Das Neue Europäische Bauhaus soll auch eine solche Kombination sein aus Ästhetik und Erschwinglichkeit. Aber wir möchten noch ein weiteres Element ergänzen: die Nachhaltigkeit. Denn das Neue Europäische Bauhaus soll Nachhaltigkeit mit Stil verbinden. Das historische Bauhaus hat neue Materialien wie Stahl und Zement genutzt. Auch heute müssen wir uns neuen Baustoffen zuwenden, aber heute geht es darum, Materialien zu nutzen, die bei ihrer Herstellung weniger CO2 benötigen.

Die Gebäude stehen für 40 Prozent unseres Energieverbrauches. Wenn es uns gelingt, das zu ändern, dann können wir es schaffen, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Und das dritte historische Element dieses historischen Bauhauses ist die Interdisziplinarität. Wir möchten, dass Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenkommen, um ihre Ideen und Visionen mit uns zu teilen. Wir können ein besseres Morgen schaffen, wenn Kultur und Technologie, Innovation und Design Hand in Hand gehen. Es ist eine Ehre, so viele großartige Redner bei uns zu haben. Für unser Neues Europäisches Bauhaus brauchen wir alle: Politiker, Wissenschaftler, Aktivisten, Künstler, Designer, Architekten, Unternehmer u.v.m.

Vielen herzlichen Dank an Sie alle!
 

Mehr Informationen: https://europa.eu/new-european-bauhaus/index_en #neweuropeanbauhaus

BAUHAUS - DAS HISTORISCHE VORBILD DER WEIMARER REPUBLIK
1919 gründete Walter Gropius in Weimar das Bauhaus. Die Idee: Eine moderne Ästhetik auf Grundlage neuer Materialien wie Beton, Stahl und Aluminium, die Kunst, Design, Architektur und Technik miteinander verbindet. Das Bauhausgebäude mit der verglasten Fassade wurde zum Inbegriff der Moderne. Die neue Architektur konnte, anders als die bestehenden Altbauten, mit begrüntem Umfeld, Licht und sanitären Ausstattungen punkten. Standardisierte Industrieprodukte sollten eine Baukultur ermöglichen, die angenehmes Wohnen nicht mehr nur für die Eliten vorsah. Das Bauhaus mit seinen Prioritäten Helligkeit, Funktionalität und Erschwinglichkeit war auch ein sozialpolitisches Projekt.