Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) Warum die Energiewende Frauen braucht!

Hierfür werden regelmäßig verschiedene Gründe angeführt, nicht zuletzt dominiert die Bewältigung der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise derzeit die politische Agenda. Dabei sind die sauberen Technologien doch gerade der Innovationstreiber, der jetzt als Konjunkturmotor genutzt werden könnte. Der Energiewende fehlt es aber nicht nur an politischer Priorisierung und den entsprechenden Rahmenbedingungen, ganz maßgeblich fehlt es auch an anderer Stelle, nämlich an Diversität. Um die globale Energiewende zu erreichen, müssen alle Talente in all ihren Formen einbezogen werden, um Innovation voranzutreiben. Kurzum: Für effizienten Umweltschutz und eine ambitionierte Energiewende braucht es mehr Frauen!

Dr. Rabia Ferroukhi, Director of Knowledge, Policy and Finance Centre bei der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA)

„Geschlechtervielfalt treibt die Innovation an, eröffnet neue Wege für den Einsatz von Technologien und kreiert neue Perspektiven für die Entwicklung der Gesellschaft. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein unverzichtbarer Faktor, um Nachhaltigkeit zu erreichen.“Dr. Simone Peter

Rana Adib, Exekutivdirektorin von REN21, dem Netzwerk für Erneuerbare-Energie-Politik für das 21. Jahrhundert

Seit jeher ist der Frauenanteil in der Energiebranche sehr gering und an der Spitze der Konzerne erst recht. Das ist insofern nicht verwunderlich, als Frauen insbesondere auf der Führungsebene auch in nahezu allen anderen Wirtschaftssektoren unterrepräsentiert sind. Nach einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft PwC arbeiteten im Jahr 2018 im Energiesektor mit circa zwölf Prozent so wenig Frauen in Führungspositionen wie in kaum einem anderen Sektor. Das mag zum einen daran liegen, dass schon im Kindesalter oft eher den Jungen erklärt wird, wie eine Glühbirne getauscht oder ein Technikbaukasten geschenkt wird. Es mag auch damit zusammenhängen, dass Energie per se als etwas Technisches und potenziell Komplexes eingestuft wird und in diesem Bereich Jungen gesellschaftlich als fähiger eingestuft werden. Auch in der schulischen Ausbildung wird Mädchen weniger im Bereich der MINT-Fächer zugetraut. Die strukturelle Benachteiligung des weiblichen Geschlechts liegt also viel tiefer – obwohl es überhaupt keine Hinweise dafür gibt, dass Mädchen schlechter in Naturwissenschaften sind (eher im Gegenteil!). Daraus resultiert auch, dass Frauen bereits in der Ausbildung von natur- und ingenieurwissenschaftlichen Berufen in der Regel unterrepräsentiert sind.

Lucia Bakulumpagi-Wamala, CEO und Gründerin von Bakulu Power

„Die Beschäftigung von Frauen im Bereich der erneuerbaren Energien (32%) ist viel besser als im Bereich Öl und Gas (22%), aber es sind schnellere Fortschritte erforderlich, um das Niveau der globalen Arbeitsmärkte zu erreichen. Die Förderung von Gleichberechtigung und Vielfalt im Energiesektor ist eher ein überzeugender Vorschlag als ein Nullsummenspiel. Die Etablierung der Gleichstellung der Geschlechter als eine Säule der Energiestrategien wird einen schnelleren und umfassenderen Übergang auf der Grundlage erneuerbarer Energien bewirken und gleichzeitig die Ziele der nachhaltigen Entwicklung beschleunigen.“ Dr. Rabia Ferroukhi

Christine Lins, Geschäftsführerin & Mitbegründerin Global Women’s Network for the Energy Transition (GWNET)

Es zeigt sich also, dass es keine fairen Chancen für Frauen gibt, denn schon die Startbedingungen von Frauen im Bereich Energie erweisen sich als schwieriger und hemmender als von Männern. Aber genau hier liegt auch der Schlüssel: Wenn die Energiewende vorankommen soll, dann braucht es den richtigen Ansatz, und der beruht auf Geschlechtergerechtigkeit im Energiesektor. Frauen müssen dafür mit all ihren Fähigkeiten wahrgenommen werden und ganz unabhängig von potenziellen zukünftigen Lebensentwürfen – von Schwangerschaft bis Pflegezeit.

Dr. Linda Davis, CEO von Giraffe Bioenergy und Chief Systems Officer der NGO One Acre Fund

„Der dringende Wechsel zu erneuerbaren Energien überall erfordert, dass wir uns eine neue Zukunft vorstellen, und während wir diesen Wechsel vollziehen, haben wir die Möglichkeit, viele verschiedene Stimmen einzubeziehen. Die Zukunft der Energie und unserer größeren Gesellschaft ist nur so inklusiv wie die Gruppe, die dieses Bild für uns malt.“ Rana Adib

Frauen sind kompetente Führungskräfte, die technisches Verständnis und großes Fachwissen mitbringen und gleichzeitig am Gemeinwohl orientiert und mithilfe von kreativen Lösungen und Empathie agieren. Untersuchungen zeigen, dass sie Männern in keinem Aspekt nachstehen. Die Ablösung der antiquierten Rollenbilder und Zuschreibungen muss endlich Einzug in die Forschung, in die Politik und Wissenschaft finden und sich in der für unsere Erhaltung der Lebensgrundlagen so wichtigen Energiebrache manifestieren. Es ist Zeit für alle Geschlechter, aufeinander zuzugehen, sich als gleichberechtigt wahrzunehmen und daraus die gleichen Chancen und Rechte für alle zu entwickeln. Und es ist Zeit für politische Rahmenbedingungen, die endlich gleiche Chancen, gleiche Einkommen und gleiche Karrieremöglichkeiten gewährleisten.

„Frauen in Subsahara-Afrika werden lediglich als Endverbraucherinnen von Energie angesehen. Aber Frauen sind mehr als Köchinnen, die neben Öfen hocken. Frauen sind Gemeinschaft. Wir sind Schöpferinnen. Energie bedeutet mir alles, denn sie bedeutet eine wohlhabende, würdige Zukunft für mein Volk.“ Lucia Bakulumpagi-Wamala

Es ist Zeit für Vorreiterinnen

Denkt man in diese Richtung weiter, dann erscheint es nur logisch, dass geringe Geschlechtervielfalt als ein Indiz für Branchen gilt, die wenig offen für neue Ideen sind (vgl. Catherine Mitchell, Professorin für Energiepolitik an der Universität von Exeter). Und was braucht es aktuell mehr als Ideen, wie fossile Energieträger schnellstmöglich von erneuerbaren Technologien abgelöst werden, um die Erderwärmung zu stoppen? Aber es gibt auch gute Nachrichten: Der Frauenanteil ist zwar auch im Bereich der erneuerbaren Energien gering, der Zuwachs ist aber laut PwC höher als in der Energiebranche insgesamt. Die Digitalisierung und das steigende Bewusstsein für den Klimawandel schaffen ganz neue Berufsmöglichkeiten – weder sind hier immer naturwissenschaftliche Fähigkeiten gefragt, noch gibt es Gründe, warum Frauen diese Berufe weniger erfolgreich ausüben könnten. Ganz im Gegenteil: Der Zuwachs der Erneuerbare-Energien-Branche wird maßgeblich darauf angewiesen sein, dass Frauen aller Fachrichtungen die Energiewende gemeinsam voranbringen.

„Heute beschäftigt die Branche der regenerativen Energieträger über 11 Millionen Beschäftigte. Bis ins Jahr 2050 soll dieser Anteil auf 43 Millionen Beschäftigte anwachsen. Heute liegt der Frauenanteil in der Branche weltweit gerade mal bei 32 %. Um die Energiewende bestmöglich zu bewerkstelligen, braucht es die besten Köpfe, Männer wie Frauen! Aus diesem Grund habe ich 2017 GWNET, das Global Women’s Network for the Energy Transition, mitbegründet, das mittlerweile schon über 1.300 Mitglieder aus über 100 Ländern hat.“ Christine Lins

Und was braucht es nun, um klugen Frauen die Möglichkeit zu geben, die Energiewende voranzubringen? Es muss über grundlegende externe Regulierungen wie die Einführung einer Frauenquote oder flexiblere Arbeitszeitmodelle (auch für Männer!) diskutiert werden. Der steigende Frauenanteil muss dann Raum für Impulse und Ideen schaffen, die den Klimaschutz und die Energiewende gesamtwirtschaftlich und global fördern. Zusätzlich benötigt es Netzwerke als zentrale Orte des Austausches und als starke Stimme für die Gleichstellung der Geschlechter im Energiesektor. Bereits heute findet in der Branche der erneuerbaren Energien eine aktive Vernetzung statt. Mit der Gründung von Netzwerkgruppen wie „Global Women’s Network for the Energy Transition“ oder „Women of Wind Energy“ wurde erkannt, dass die Frauen der Branche eine starke Stimme brauchen und die gegenseitige Unterstützung ein Kernfaktor für die Gleichstellung der Geschlechter im Sektor ist. Es ist Zeit für Vorreiterinnen, die die Sichtbarkeit der Frauen im Energiebereich erhöhen und die als Vorbilder vorangehen. Es braucht diese beeindruckenden Frauen auf der ganzen Welt, die Mädchen zeigen, dass Frauen eine Stimme haben, dass Frauen eine zentrale Rolle spielen für das Vorankommen der Energiewende und zukunftsfähiger Wirtschaftsmodelle insgesamt, für die Akzeptanz von erneuerbaren Energien sowie für den Klimaschutz und die Erhaltung unseres Planeten.

„In diesem Jahr ist das globale Bewusstsein für die Vielfalt auf allen Ebenen gestärkt worden. Gespräche und Aktionen müssen sich auch auf die unverhältnismäßigen Auswirkungen von COVID -19 auf die drei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt konzentrieren, die keinen Zugang zu sauberen Kochlösungen haben. Da die Frauen in diesen Gemeinschaften die Hauptverantwortung für das Kochen tragen, sind sie am anfälligsten. In der heutigen Zeit ist dies inakzeptabel! Eine Priorisierung der Teilhabe von Frauen an allen Aspekten der Energie-Wertschöpfungskette kann eine wichtige Rolle bei der Herbeiführung sinnvoller Veränderungen spielen.“ Dr. Linda Davis

 

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