Perspectives & VoicesAgenda 2030

Kommunale Entwicklungspolitik wirkt: Die Lebensperspektiven von Kindern und Jugenlichen im Ruhango Distrikt in Ruanda wurden durch die Partnerschaft mit der Stadt Landau in Rheinland-Pfalz durch zahlreiche Projekte verbessert, zurzeit wird die 17. Schule errichtet. Die Städtepartnerschaft besteht inzwischen schon seit 36 Jahren. In Baden-Württemberg hat der Landkreis Karlsruhe seit 10 Jahren eine Partnerschaft mit der brasilianischen Stadt Brusque. Hier liegt der Fokus auf dem Klimaschutz. So soll der Energieverbrauch in Brusque um 75 % reduziert werden – durch modernisierte Straßenbeleuchtung und veränderte Mobilität.
 

Für ihr Engagement gewannen die beiden kommunalen Partnerschaften den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 in der Kategorie „Globale Partnerschaften“. Der Wettbewerb prämiert deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise, die sich gemeinsam mit Kommunen im Globalen Süden besonders erfolgreich für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung einsetzen. Der Preis ist Teil einer erweiterten Förderlandschaft für kommunales entwicklungspolitisches Engagement in Deutschland, insbesondere durch die eigens dafür geschaffene Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global, in der es auch eine spezifische Abteilung für die Unterstützung Kommunaler Partnerschaften gibt.
 

Städte und Gemeinden haben aber auch ein Eigeninteresse, sich für eine nachhaltige globale Entwicklung zu engagieren. So zeigt eine von der SKEW beauftragte laufende Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE)*, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Verwaltungen der Kommunen den internationalen Austausch als Mehrwert wahrnehmen. Deutsche Kommunen spüren die Relevanz globaler Themen für sie selbst immer deutlicher, wie etwa bei der Aufnahme von Geflüchteten. In vielen deutschen Kommunen drängt zudem die lokale Zivilgesellschaft zunehmend zur Übernahme globaler Verantwortung und engagiert sich in unterschiedlichen Bereichen. Durch die Internationalisierung werden Kommunen schließlich als Arbeitgeber attraktiver.
 

KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN SIND VIELFÄLTIG

Die beiden preisgekrönten Partnerschaften verdeutlichen drei wesentliche Trends. Erstens wird das kommunale Engagement in Deutschland vielfältiger. So unterhalten inzwischen nicht nur große, sondern auch kleinere Städte und Gemeinden Partnerschaften im Globalen Süden. Darüber hinaus werden Akteure wie kommunale Unternehmen und Universitäten in Verbindung mit kommunaler Entwicklungspolitik immer wichtiger. Auch die Themen werden vielseitiger. Eine wichtige Erweiterung der bestehenden Partnerschaft zwischen Landau und Ruhango betraf die Förderung der Bildungs- und Gesundheitsversorgung in Rwanda. Mit den Entsorgungsbetrieben Landau wurde eine Strategie entwickelt, um das Siedlungs- und Wassermanagement zu optimieren. Bei der Partnerschaft zwischen dem Landkreis Karlsruhe und Brusque soll es langfristig neben Projekten zum Klimaschutz auch um andere SDGs gehen.
 

KOMMUNEN PROFITIEREN BEIDSEITIG

Zweitens führen die kommunalen Partnerschaften zu Lerneffekten und helfen Bürgerinnen und Bürgern auf „beiden Seiten“. Dies ist selbst dann der Fall, wenn Lebensstandards sehr unterschiedlich sind. In Landau ist etwa der vom dortigen Freundeskreis Ruhango-Kigoma getragene Second Hand Markt einerseits Haupteinnahmequelle für die Projekte in Ruanda. Andererseits ermöglicht er einkommensschwachen deutschen Haushalten, gebrauchte Waren kostengünstig einzukaufen und sorgt für deren Weiterverwendung. Da beide Kommunen in den letzten Jahren von Überflutungen betroffen waren, konzentriert sich der Verwaltungsaustausch auf Diskussionen, wie die Auswirkungen von Starkregenereignissen abgemildert werden können.
 

Kommunale Partnerschaften ÜBERDAUERN POLITISCHE KRISEN

Drittens senden die preisgekrönten Partnerschaften eine wichtige politische Botschaft – durch ihre Beständigkeit in Zeiten nationalistischer Alleingänge oder politischer Krisen. So überdauerte die seit 1984 bestehende Partnerschaft zwischen Landau und dem Ruhango-Distrikt auch den Völkermord in Ruanda 1994. Mit der Beteiligung am Bau eines Versöhnungszentrums 2008 wurde zur Aufklärung und zum gesellschaftlichen Frieden beigetragen. Die Partnerschaft zwischen Karlsruhe und Brusque engagiert sich für klima- und umweltfreundliche Entwicklung – „unter dem Radar“ der Politik einer nationalen Regierung mit gegensätzlichem Ansatz.
 

Ausgangspunkte zur Stärkung KOMMUNALER PARTNERSCHAFTEN

Das Beispiel Brusque in Südbrasilien zeigt allerdings nicht zuletzt, dass der kommunale Handlungsspielraum angesichts nationaler politischer und institutioneller Vorgaben oft begrenzt ist. Dies gilt im Übrigen auch für das entwicklungspolitische Engagement deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise. Die Zuständigkeit für die Entwicklungszusammenarbeit liegt hier bei Bund und Ländern. Für die Kommunen gehört sie zu den freiwilligen Aufgaben und wäre ohne ehrenamtliches Engagement kaum umzusetzen.
 

Trotz zum Teil schwieriger Rahmenbedingungen: Die preisgekrönten Partnerschaften 2021 verdeutlichen einmal mehr die wichtige Rolle von Städten und anderen Kommunen für eine nachhaltige globale Entwicklung. Die Kooperationsbeziehungen ermöglichen die Mobilisierung und den Austausch von Wissen und Ressourcen – in vielen Fällen mit beidseitigen Lerneffekten. Die Preisverleihung würdigt diese Beiträge und bietet einen wichtigen Anreiz für ihre Verbreitung. Um das lokale Potential für die globale Transformation zur Nachhaltigkeit noch stärker auszuschöpfen, ist jedoch eine verstärkte politische, finanzielle und beratende Unterstützung unabdingbar.



Artikel: Dr. Eva Dick, Dr. Paul Marschall & Christopher Wingens


*Ergebnisse dieser Studie werden als DIE Studie im Sommer 2021 veröffentlicht. Die Datenerhebung für die Studie verlief in enger Kooperation mit dem Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), das zeitgleich die Kommunale Entwicklungspolitik in Deutschland evaluiert.