Königs Kolumne Der Globus als Revier

Das aktuelle Weltgeschehen bestimmt den Arbeitstag nicht nur des Außenministers, sondern auch der Verbindungsstelle für diplomatische Einrichtungen und des Zentralen Objektschutzes der Berliner Polizei. Und da sich das Weltgeschehen täglich ändert, gleicht kein Arbeitstag dem anderen. Derzeit sind seine drei Beamten keinem bestimmten Berliner Polizeirevier zugeordnet, denn ihr Revier ist der ganze Globus.

Die Botschaften in Berlin genießen einen ganz besonderen Schutz – hier: die niederländische Botschaft.

Die Weltnachrichten am frühen Morgen: Wo gibt es Rebellionen, Attentate, Putschversuche? Was melden die deutschen Sicherheitsbehörden? Welche Informationen kommen von den Sicherheitsabteilungen der ausländischen Botschaften? Was immer auch auf dem Globus passiert, kann sich im Botschaftsviertel Berlins widerspiegeln. Aufstände oder Anschläge in jedwedem Land können Aktionen vor der jeweiligen Botschaft in Deutschland nach sich ziehen, und zwar extrem schnell. Fast in Echtzeit kursieren übers Internet Nachrichten, Fotos und Videos, was Aktivitäten auch hierzulande auslösen kann und die Sicherheitsbehörden vor enorme Herausforderungen stellt. Je nach aktueller Gefahrenlage sind Schutzmaßnahmen ständig neu anzupassen.

„Wir sind Ansprechpartner für alle Botschaften“, erklärt Michael Effertz, Leiter der Verbindungsstelle diplomatischer Einrichtungen, „aber unser Spektrum geht weit über Sicherheitsfragen hinaus. Wir bauen Vertrauen auf und kooperieren mit den Vertretern der ganzen Welt.“ Grundlage ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, wonach sich das Gastgeberland verpflichtet, die jeweilige Vertretung zu schützen und den ungehinderten Zugang zu gewährleisten. Diplomaten in Nöten sind nicht nur auf den Polizeinotruf angewiesen, sondern können rund um die Uhr ein Dienstmobiltelefon der Verbindungsstelle erreichen. „Unser Ziel ist die Ereignislosigkeit an diplomatischen Einrichtungen.“

1.500 Objektschützer in Berlin sind für Botschaften und Residenzen zuständig, aber auch für jüdische Einrichtungen und Landesbehörden sowie für Wohnungen von Politikern und anderen gefährdeten Personen. Aber nicht alles ist von geopolitischer Relevanz, manche Anliegen sind sehr banal. Der eine Diplomat braucht Hilfe nach einem Verkehrsunfall, der andere will wissen, welche Gegend zum Wohnen sicher genug ist. Hier hat der Sohn eines Botschafters sein Handy verloren, dort ärgert sich ein Missionschef, weil ein Liebhaber vor der Residenz ständig nach seiner Tochter schmachtet. Diese Fälle zeigen, wie groß das Vertrauen der Diplomaten in die Verbindungsstelle in den zehn Jahren ihres Bestehens geworden ist.

Das war nicht immer so. Manche Missionen waren anfangs argwöhnisch, andere traten aufgrund ihrer nationalen Mentalität und politischen Kultur forsch und fordernd auf. Im Umgang mit einer fernöstlichen Vertretung lernten die Polizisten zehn Facetten von „Ja“ kennen, auch ein Ja, das ein knallhartes Nein bedeutet. Und im Umgang mit manchen anderen Botschaften mussten sie damit rechnen, dass mitunter geflunkert wird. Oft war es ausgeprägt schwierig. Aber mit Stolz sagen die Verbindungspolizisten um Michael Effertz heute: „Wir haben uns ein Fundament und eine Vertrauensbasis erarbeitet, sodass wir mit allen Botschaften gut zusammenarbeiten“

Dass Effertz und seine Stellvertreterin Cordula Feichtinger de Carrasco gleichzeitig Fachleute für Sicherheit und Interkulturelles sind, versteht sich von selbst. Kenntnisse von Geschichte, Politik, Nationalhymne und Eigenheiten des Landes helfen beim Kontakt; parallel beobachten sie Veränderungen der Sicherheitslage. Wenn Effertz auf Nationalfeiertagsempfängen gesehen wird, geht es ihm nicht ums Buffet, sondern um die Kontaktpflege mit den Botschaften. Die registrieren nämlich sehr genau, ob sich Deutschland um ihre Sicherheit kümmert.

Über den Autor:

Ewald König ist Chefredakteur bei korrespondenten.tv, einem Projekt des Berliner Korrespondentenbüros.