Welche Destinationen sind 2024 gefragt? Haben die Krisen unsere Art zu reisen verändert? Und hat sich die Reisebranche von Covid erholt? Darüber hat das Diplomatische Magazin mit Deborah Rothe gesprochen, Direktorin der Internationalen Tourismus Börse (ITB) Berlin
DM: Frau Rothe, im vergangenen Jahr hat die ITB erstmalig das neue Konzept B2B umgesetzt. Ist es aufgegangen? Und wie war das Feedback der Aussteller?
Deborah Rothe: Die positive Resonanz insgesamt und das erfreuliche Feedback aus der Branche nach der ITB Berlin 2023 bestärken uns in unserem B2B-Konzept. Wir halten an diesem Format fest, da es sich als erfolgreich und zukunftsorientiert erwiesen hat. Durch diese neue Fokussierung sehen wir uns optimal für die Zukunft positioniert, stärken unsere Rolle als Think Tank und Expertenforum sowie schärfen unser Profil. Zusätzlich erwarten wir eine verstärkte Kundenbindung und -gewinnung. Die gewonnenen Kapazitäten im Team werden gezielt für die Weiterentwicklung der ITB Berlin genutzt, um die Bedürfnisse unserer Zielgruppen noch besser ansprechen zu können. Als Alternative für Privatbesucher präsentierten wir das Berlin Travel Festival als integralen Bestandteil der BOOT & FUN BERLIN. Diese Veranstaltung, die vom 1. bis 3. Dezember 2023 auf dem Berliner Messegelände stattgefunden hat, bot Inspiration für die Urlaubsplanung und lud dazu ein, neue Destinationen, Urlaubsaktivitäten und Reisetrends kennenzulernen. Reisen und Freizeit gehören schließlich zusammen.
DM: Wie ist generell die Bilanz der Touristikunternehmen in 2023? Hat sich die Branche vom Verlust durch Covid erholt?
Deborah Rothe: Die Branche hat sich weitgehend erholt, es gibt jedoch große Unterschiede je nach Segment und Region. Prinzipiell ist das touristische Geschäft wieder etwa auf Vor-Corona- Niveau. Das Business Travel-Segment hat sich allerdings noch nicht vollständig erholt, bedingt durch grundlegende Veränderungen. Viele Unternehmen überprüfen die Notwendigkeit von Reisen genauer und kombinieren diese. Dies führt dazu, dass höhere Beförderungsklassen in Unternehmen weniger frequentiert werden. Airlines kompensieren dies erfolgreich durch Privatreisende, die sich einen höheren Komfort gönnen möchten und auch Business Class sowie Premium Economy buchen. Veränderungen gibt es auch bei Hotels. Da viele Geschäftsreisende auf der Kurzstrecke nun den Zug bevorzugen, lassen sich Trips nicht unbedingt an einem Tag bewerkstelligen. Das bringt auf der anderen Seite Hotels natürlich Zuwächse, hohe Auslastung und teils auch höhere Erträge. Wie erwähnt ist und war die Erholung nach Covid auch von der Region abhängig. China öffnete zum Beispiel deutlich verzögert, daher setzte dort das Geschäft auch später wieder ein. Mittlerweile ist man aber auch dort wieder auf dem Level vor der Pandemie.
DM: Die letzten Jahre gehen als Jahre dramatischer weltweiter Krisen in die Geschichte ein. Erst Covid, dann der Ukraine- Krieg und im Oktober 2023 der Angriff auf Israel. Verändern diese Krisen das Reiseverhalten der Menschen? Man könnte vermuten, dass Urlaubsreisen nicht mehr langfristig geplant werden?
Deborah Rothe: Die Branche verändert sich, bleibt jedoch stabil und äußerst resilient. Geopolitische Krisen führen kurzfristig zu Stornierungswellen, die sich jedoch oft innerhalb weniger Wochen erholen. Möglicherweise neigen einige Reisende durchaus dazu, kurzfristiger zu buchen. Für diejenigen, die auf Schulferien angewiesen sind, ist eine frühzeitige Buchung ratsam aufgrund hoher Nachfrage in Spitzenzeiten. Reiseanbieter, Hotels und Veranstalter setzen weiterhin stark auf flexible Tarife, die von vielen Konsumenten in turbulenten Zeiten dankbar angenommen werden.
DM: Welches sind die Schlüsselregionen für den Tourismus 2024?
Deborah Rothe: Die Balkanländer sind stark im Kommen – so etwa unser 2025-Gastland Albanien oder auch Montenegro. Gleiches gilt für die Kaukasus-Nationen wie etwa Georgien, das 2023 Gastland war. Mit Spannung haben wir Chinas Ankündigung vernommen, das für eine Reihe von Ländern die Visumspflicht bis zu einer gewissen Aufenthaltsdauer gestrichen hat. Das sollte dem Land deutlich Auftrieb bescheren. Ebenso interessant ist die Öffnung, die wir seit einigen Jahren in Saudi- Arabien kontinuierlich sehen. Noch vor einigen Jahren war die Einreise aus touristischen Gründen praktisch unmöglich. Nun gibt es Visa, um das spannende Land zu entdecken. Für Stopover-Gäste, die nur bis 96 Stunden im Land bleiben, entfällt die Visa-Pflicht sogar komplett. Neben diesen aufstrebenden Ländern gibt es natürlich auch wichtige Volumenmärkte, die zumindest für die europäischen Reisenden überaus bedeutsam sind und auch bleiben werden – darunter Spanien, Griechenland, die Türkei oder Ägypten. Das alles ist jetzt eine deutsche oder eurozentrische Perspektive. Woanders auf der Welt sind die Trends natürlich andere. Auf die Bühne der wichtigsten Quellmärkte treten neben China, zunehmend Reisende aus Indien. Das Potenzial dort für den Tourismus ist enorm – darauf stellen sich beispielsweise die Länder Südostasiens wie etwa Thailand immer mehr ein.
Interview Marie Wildermann